Dem Dieb keine Chance: kleine Schloss- und Abschließkunde
Immer wieder hört man den Satz: „Ich kauf’ mir doch kein richtig gutes Rad! Das wird doch sowieso geklaut.“ Richtig ist: Pro Tag wurden 2016 in Deutschland laut Stiftung Warentest fast 1.000 Räder und E-Bikes gestohlen. Die gestohlenen Räder, die gar nicht erst gemeldet werden, weil die Besitzer sich davon nichts versprechen, sind hier noch gar nicht mitgezählt. Richtig ist aber auch: Ein gutes Schloss und sein richtiger Gebrauch machen Diebstahl nicht absolut unmöglich, aber extrem unwahrscheinlich. Zunächst also zum Schloss selbst. Hier gilt wie fast überall: Je hochqualitativer sprich aufbruchsicherer, desto teurer. Dabei zählt nicht nur das Material des Sicherungskörpers, bei einem Bügelschloss also der bogenförmige Teil. Auch der Schließmechanismus selbst ist enorm sicherheitsrelevant. Lässt er sich einfach zerstören oder öffnen – etwa mit sogenannten Picking-Tools, also Mini-Dietrichen – dann nutzt der robusteste Bügel nichts. Letzterer ist bei den besten Modellen aus gehärtetem Stahl und hat einen viereckigen, an den Kanten abgerundeten Querschnitt – damit Schneidewerkzeuge schlechter ansetzen können. Diese Bügelschlösser oder Kettenschlösser mit dicken, geschlossenen Gliedern aus hochwertigen Stahl haben heute die sichersten Schlosskörper. Mithalten können da nur einige hochwertige Faltschlösser – aber auch hier gilt: Das Material und die Fertigung (Vernietung!) entscheiden über Aufbruchsicherheit. Einfache Kettenschlösser, Bügelschlösser aus minderwertigem Bügel-Material oder Kabelschlösser mit Metallpanzerung stellen die nächsttiefere Sicherheitsstufe dar. Ganz am unteren Ende rangieren einfache Kabelschlösser mit geringem Durchmesser und ohne Metallummantelung. Da reicht schon ein einfacher Bolzenschneider, manchmal gar der Seitenschneider einer Zange, um es zu kappen.
Der Unterschied der verschiedenen Produkte in Sachen Schließzylinder ist nicht geringer: Einfache Schließmechanismen, wie man sie von Einsteiger-Kabelschlössern kennt, lassen sich manchmal ohne Hilfsmittel knacken. Nur minimal schwieriger wird’s mit dem klassischen Stiftzylinder, wie man ihn von alten Wohnungstüren her kennt. Mit einfachen Tools kann man hier die kleinen Stifte im Schloss genau wie mit dem Schlüssel um die richtig Länge eintauchen – das Schloss lässt sich entriegeln. Moderne Drehscheibenzylinder stellen derzeit das Maximum an Sicherheit dar: Bis zu zwölf Scheiben im Schließzylinder werden je nach Einkerbungen und Aussparungen im Schlüssel verdreht. Nur wenn alle Scheiben um die richtige Gradzahl gedreht werden, öffnen sich die Schließbolzen des Schlosses. Erkennbar ist dieses System an den vierkantförmigen Schlüsseln mit beidseitigen Einkerbungen (s. Bild).
Eine Entscheidungshilfe: Die Sicherheitsskalen, in die viele Hersteller ihre Schlösser einordnen. Dabei lassen sich zwar nicht die Schlösser verschiedener Hersteller vergleichen, doch innerhalb des Portfolios des Herstellers sind die firmeneigenen Sicherheitsstufen eine gute Orientierung. Im Schnitt beschäftigt sich ein Fahrraddieb höchstens drei Minuten mit einem Schloss – dann wird es ihm zu brenzlig, die Aufmerksamkeit von Passanten zu erregen. Hält ein Schloss einem professionellen Angriff so lange stand, gilt es als sicher. Kabelschlösser gehören übrigens hierzu nicht.
Das bringt uns zum nächsten Punkt: Dem richtige Gebrauch des Schlosses. Wichtig: Stellen Sie Ihr Fahrrad auch tagsüber nie an wenig einsehbaren Orten ab (zum Beispiel in einer dunklen, leicht zugänglichen Hofeinfahrt). Das ist schon Teil des Diebstahlschutzes, denn niemand lässt sich gern beim Klauen zusehen! Nachts wählen Sie immer lieber die Straßenlaterne als den Zaunpfahl um die dunkle Ecke zum Anschließen. Anschließen ist übrigens absolut Pflicht: Ein Fahrrad, das weggetragen oder -geschleift werden kann, ist nicht diebstahlgesichert! Also: wenn das Rad nicht in Sichtweite ist: anschließen! Und zwar immer so, dass der Rahmen und nicht nur ein Laufrad angeschlossen ist. Auch wenn der nächste Fahrradständer oder das nächste Verkehrszeichen ein paar Meter weiter ist. Deshalb darf auch nicht nur die Aufbruchsicherheit über den richtigen Schlosstyp entscheiden: Bügelschlösser reichen oft nur um Fahrradrahmen und ein Verkehrszeichen herum, während andere Schlösser gegebenenfalls auch Laternenpfahle umarmen. Ein weiterer Entscheidungsfaktor: Transport. Das Bügelschloss lässt sich einfacher mit Hersteller-Adaptern am Fahrrad befestigen als ein vergleichbares Panzerkabelschloss, verschwindet bei Bedarf auch schnell in der Gepäcktasche. Faltschlösser lassen sich auch gut am Fahrrad befestigen – doch unbedingt vor Kauf testen, ob das Schloss am Rahmen auch Platz hat – oder ob dafür zum Beispiel der Trinkflaschenhalter weichen muss. Immer beliebter wird übrigens das Kurzzeitschloss, etwa ein Ringschloss, das das Hinterrad blockiert. Das ist so etwas wie die Wegfahr-Sperre. Beim Bäcker- oder Kiosk-Besuch beispielsweise ist so ein Ringschloss sehr praktisch. Ohne ein Schloss auspacken zu müssen, kann ich Gelegenheitsdiebe während meines Einkaufs auf der anderen Seite des Schaufensters am Wegfahren hindern. Und Wegtragen dürfte in diesem Fall nicht erfolgversprechend sein.
Wer auf Nummer sicher geht, schützt sich auch gegen Teileklau. Eine Möglichkeit dazu: Kräftige Schlaufenseile, deren mit dem Bügel- oder einen anderen Schloss verbunden werden (s. Bild). Eleganter gehts per Schloss-Bolzen wie etwa von Pitlock: Statt einer Schraubenmutter sichert hier ein nur mit einem kodierten Gegenstück zu öffnende Mutter die Komponenten – also etwa Sattel oder Laufräder. Dieses passt ganz einfach an den Schlüsselbund. Da sollte es auch hin – wer auf der Tour mal einen Platten hat, kann ansonsten das Rad nicht ausbauen …